Der Taumelscheibenmotor

Der Taumelscheibenmotor nach Hermann Papst nimmt seinen Anfang mitten im Krieg beim Anblick eines hoch über St. Georgen fliegenden US-Bomber Verbandes. Ein schlankes Jagdflugzeug ist gefragt – klein genug, um wenig Trefferfläche zu bieten. Der Konstrukteur Hermann Papst entwirft in wenigen Tagen einen gegenüber den Kurbelwellenmotoren viel kompakteren Zweitakt-Gegenkolben-Motor mit schlanker, zylindrischer Grundform, der zwei Taumelscheiben (Schrägscheiben) auf einer gemeinsamen Welle aufweist. Hermann Papst reist mit diesem Ent­wurf nach Berlin in das Reichsluftfahrtministerium, um Unterstützung für seine Entwicklung zu bekommen. Diese wird aber versagt, da die Entwicklungszeit für einen so grundlegend neuen Motor zu lange dauern würde und damit nicht mehr kriegsentscheidend sein könne.

Besucher aus der Automobilindustrie sind vom Taumelscheiben­motor begeistert. Aber an diesem Konzept ist alles neu, die vorhandenen Produktionsstrukturen in den Automobilfabriken sind nicht verwendbar und man zeigt sich durch den mäßigen Erfolg des Kreiskolbenmotors von Felix Wankel verunsichert. Die Entwick­lung wird 1982 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt.

Der Zweitakt-Gegenkolben-Taumelscheibenmotor

Der Zweitakt-Gegenkolben-Taumelscheibenmotor

Kolben und Pleuel des Taumelscheibenmotors

Zwanzig Jahre bevor man in der Automobilwelt von keramischen Kolben spricht, hat Hermann Papst sie mit eingegossenem Quarzboden bereits entwickelt und getestet. Somit wird ein Brennraum geschaffen, der eine denkbar kleine, wärmeleitende Oberfläche aufweist. Der so entstandene wärmedichte Motor ist in Verbindung mit der Hochdruckeinspritzpumpe als Vielstoffmotor geeignet und zeigt günstige Verbrauchswerte, vor allem aber für einen Zweitakter überraschend gute Abgaswerte.

Kolben mit Quarzboden und Pleuel des Motors auf Taumelscheibe wirkend

Kolben mit Quarzboden und Pleuel des Motors auf Taumelscheibe wirkend

Ab 1956 erprobt Hermann Papst mit seiner Forschungsmannschaft den Taumelscheibenmotor zunächst mit kardanischer Abstützung der Scheibe, dann mit linearer Gleitführung und schließlich in der dritten Motorenge­neration mit einer Kegelradabstützung.Kinematik des Taumelscheibenmotors der dritten Generation

Kinematik des Taumelscheibenmotors der dritten Generation

In diese Zeit fällt ein Besuch des Vorstandsvorsitzenden von Bosch, Hans L. Merkle, in St. Georgen. Dabei bezeichnet er Hermann Papsts Ziel, in kurzer Frist 1000 bar Einspritzdruck bei Diesel-Motoren zu erreichen, als unmöglich. Die Zukunft belehrt ihn eines anderen. In St. Georgen erreicht man diesen Wert knapp zwei Jahre nach diesem Besuch; der Stuttgarter Branchenriese kommt erst nach zwei Jahrzehnte später mit ent­sprechenden Hochdruck-Einspritzsystemen auf den Markt.

Schnittdarstellung durch die sechs Zylinder des Taumelscheibenmotors

Schnittdarstellung durch die sechs Zylinder des Taumelscheibenmotors

Ab 1967 zieht Hermann Papst sich fast ausschließlich auf seine Forschungstätigkeit zurück. Sein Sohn Georg hat die Stufen seiner Arbeiten am Taumelscheibenmotor in einem unveröffentlichten Skript stichwortartig zusammengefasst: „Es gab Modellversuche mit 1-zylindrischem Gegenkolben-Simulator, 4-zylindrischem Gegenkolben-Taumelscheibenmotor, 5- zylindrischem sowohl Gegenkolben- als auch 5-zylindrischem Boxermotor, schließlich 6-zylindrische Gegenkolben-Zweitaktmotoren, für die von Anfang an das Ziel darin bestand, verbrauchsgünstig und schadstoffarm zu sein. Als Vielstoffmotor hatte der Taumelscheibenmotor eine große Zahl von Entwicklungsschritten bei Einspritzung und Zündung erfordert. So entstanden neben einer großen Anzahl von Düsen mit ver­schiedenen Querschnitten und Gestaltungsformen auch Einspritzzünddüsen und Glühzünddüsen. Sie sollten den Kraftstoff frühzeitig zünden und sozusagen einen Feuerstrahl in den Zylinder spritzen. Wesentliche Fortschritte gab es beim Triebwerk; dort insbesondere am Pleuel, der aus einem konisch ausgeformten Tragrohr mit zwei ungleichen Kugelschalen bestand, die mit dem Impuls-Schweißverfahren zusammengefügt waren.“

Papst-Taumelscheibenmotor PATAMO als Außenbordmotor für Dieselkraftstoff

Papst-Taumelscheibenmotor PATAMO als

Außenbordmotor für Dieselkraftstoff

Längs-Schnitt durch den PATAMO

Längs-Schnitt durch den PATAMO

Durchgesetzt hat sich der Taumelscheibenmotor von Hermann Papst nicht. Doch ist die Geschichte und Entwicklung moderner Verbrennungsmotoren nicht zu Ende. Und der ökonomische und ökologische Druck zu noch niedrigerem Treib­stoffverbrauch könnte das Interesse am Taumelscheibenmotor neu erwachen lassen.

Obere Reihe: Taumelscheibenmotoren der ersten und zweiten Generation; Untere Reihe: Simulator und Kinematikmodell

Obere Reihe: Taumelscheibenmotoren der ersten und zweiten Generation;

Untere Reihe: Simulator und Kinematikmodell