Entstehung eines Industrieunternehmens
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Schnell wachsendes Industrieunternehmen
Mit dem Aufblühen der deutschen Wirtschaft nach der Währungsreform wächst die Nachfrage nach Kleinmotoren sprunghaft, wofür der Papst-Außenläufermotor sich als konstanter, laufruhiger Antrieb von Tongeräten (Schallband, Magnetdraht, Magnetband) hervorragend eignet. Der aufgestaute Bedarf von Geräten der Unterhaltungsindustrie, der modernen Bürotechnik mit Diktiergeräten, elektrischen Schreibmaschinen, Buchungsautomaten sowie von Tonbandgeräten, bringen Motorenaufträge der Großabnehmer Schaub-Lorenz, Tefi, Löwe-Opta, LM Ericsson und dann Grundig, IBM, Triumph-Adler und Olympia. Dazu kommen spezielle Anwendungen in der Feinwerktechnik und im Maschinenbau.
Das Unternehmen wird 1952 in eine Familien-Kommanditgesellschaft mit dem Firmennamen Papst-Motoren KG unter Einbezug aller Familienmitglieder umgewandelt.
Hermann und Mathilde Papst mit ihren fünf Kindern (Aufnahme um 1956)
bilden den Gesellschafterkreis der Papst-Motoren KG.
Die starke Ausweitung des Unternehmens von 1950 bis 1960 ist eng mit der Firma Grundig verbunden, denn der Fürther Branchenriese setzt den direktantreibenden Außenläufermotor von Hermann Papst teilweise exklusiv in Großserien ein.
Außenläufermotoren für professionelle Tonbandgeräte und Studiotonbandmaschinen
Im Comecon (Wirtschaftsgemeinschaft der ehemaligen Ostblock-Staaten) war Ungarn mit zwei Herstellern für die professionelle Geräte in Studios wie auch für Anlagen im Dauerbetrieb in der Telefon- und Flugüberwachung zuständig und lieferte über fünfzig Prozent der Geräte in die UdSSR, den Rest nach Osteuropa, in arabische Länder und nach Kuba. Die Schwächen des politischen Systems im Ostblock führten Ende der 1970er Jahre dazu, dass keine harte Währung mehr zur Bezahlung der Papst-Motoren vorhanden war und die Einstellung der Geräteproduktion drohte. Diese Situation führte 1979/80 zu einer Auftragsproduktion in Ungarn, zuerst von Wicklungen und Motorteilen (Leiterplatten), dann von ganzen Lüftern und Motoren. Der neue Standort mit klaren Lohnvorteilen wird gegenüber der BRD aufgrund der fernöstlichen Konkurrenz dringend gebraucht. Dies bildete die Ausgangsbasis für eine fortgesetzt expansive Produktion in Ungarn, später an mehreren Orten mit vielen hundert Mitarbeitern.
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Im Sog der Großseriennachfrage
Kraftvolle Wachstumsimpulse für die Papst-Motoren KG bringen die Hersteller von Büromaschinen, vor allem IBM und Triumph-Adler, für die Hermann Papst in knappester Frist, zum Teil völlig neu konzipiert, Antriebe für elektrische Schreibmaschinen und Buchungsautomaten für die Typenhebelmaschinen dieser beiden Hersteller entwickelt und in seinem Unternehmen in Folge des Ausfalls des bisherigen ausländischen Lieferanten bei einer der beiden Firmen in wenigen Wochen die Serienfertigung starten muss.
Der Außenläufermotor, inzwischen weltweit als Papst-Motor bekannt, gründet seine Attraktivität auf dem Konstruktionsprinzip. Hinzu kommt die herausragende Fertigungsqualität, extreme Laufruhe aufgrund des hintergelagerten Rotors und die hohe Laufkonstanz. Kein Wunder also, dass diese Motoren auch breite Anwendung in Laborgeräten (Thermostate und Magnetrührer), in feinwerktechnischen Apparaten, in medizintechnischen Geräten, in der Textiltechnik und vielen anderen Gebieten finden.
Wickeltechnik aus der Anfangszeit des Unternehmens um 1950
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Werkstoffkundliche Kompetenz und effektive Fertigung
Das St. Georgener Unternehmen kombiniert die Automatisierung bei der Wicklungsherstellung mit dem flexiblen Einsatz von handwerklicher Arbeit, denn die Verknüpfung beider Verfahren stellt ein wesentliches Element der Qualitätssicherung und -steigerung dar.
Hermann Papsts universelle Arbeit geht in aller Regel über Entwurf und Gestaltung hinaus und zeigt eine ungewöhnliche Fähigkeit in der Verknüpfung von Theorie und Praxis. Das Geheimnis seines Erfolgs als Ingenieur-Unternehmer verbirgt sich nicht zuletzt in der langfristigen Perspektive, in der Zähigkeit und systematischen Tiefgründigkeit, mit der er seine Projekte verfolgt, mit der er die jeweiligen Produkte immer wieder optimiert und strengen Qualitätsansprüchen unterwirft.
Einlegen von Formspulen in den Stator
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Oft hat sich Hermann Papst mit seinen revolutionären Ansprüchen im Fertigungsbereich gegen den Widerstand seiner Mitarbeiter durchsetzen müssen, denn gerade im handwerklich-technischen Bereich, der entscheidend auf dem Erfahrungswissen gründet, gilt es bei Neuerungen, das Trägheitmoment des Gewohnten und Traditionellen zu überwinden.
Nach seiner Überzeugung muss Qualität unmittelbar hergestellt und nicht erst durch nachgängige Prüfverfahren erwiesen werden. Jedes Bauteil eines Motors muss funktionsgerecht und qualitativ einwandfrei vorliegen, bevor die Kostenkontrolle überhaupt zum Zug kommt. Viele seiner Fertigungstechniken werden von den Mitarbeitern des Unternehmens in halb- und vollautomatische Prozesse überführt.
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Erste Reise in die USA
Im Herbst 1955, bricht Hermann Papst in Begleitung seines Sohnes Günter, der 1951 mit einer kaufmännischen Ausbildung in das väterliche Unternehmen eingetreten ist und die Rolle des Assistenten und Dolmetschers übernimmt, von Frankfurt am Main aus zu einer mehrwöchigen USA-Reise auf.
Hermann und Günter Papst reisen mit großem Gepäck; denn außer ihren Kleiderkoffern führen sie mehrere Koffer mit Mustermotoren mit sich. Die Reise geht von der Ostküste bis nach Kalifornien. Hermann Papst gelingt es durch seine umgängliche, direkte Art, rasch menschliche und berufliche Kontakte aufzubauen.
Hermann Papst und sein Sohn Günter vor ihrer ersten USA-Reise (Aufnahme von 1955)
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Da die Außenläufermotoren in den Vereinigten Staaten weitgehend neu sind, stoßen Hermann und Günter Papst auf außergewöhnliches Interesse. Anfang der 1950er Jahre wird in den USA das Farbfernsehen für Privathaushalte marktreif gemacht, wobei der international renommierte Radioproduzent Columbia für den Antrieb des mechanischen Systems, also für die Rotation der Farbfilter-Scheiben, synchron arbeitende Außenläufermotoren aus St. Georgen in die Prototypen einsetzt.
Die Reise leitet den internationalen Durchbruch des Papst-Motors ein und bringt erste Aufträge für Hysterese-Synchron- Außenläufermotoren für im Osten der Vereinigten Staaten angesiedelte Hersteller von High-Fidelity-Plattenspielern, die damals auf dem anspruchsvollen US-Markt stürmisch nachgefragt zu werden beginnen.
Die Papst-Motoren KG liefert über zehn Jahre hinweg Außenläufer-Hysterese-Synchron-Motoren für die High-Fidelity-Plattenspieler mit Riemenantrieb und richtet in Chicago einen entsprechenden Motor-Service ein.
Bis zur Gründung einer eigenen Produktions- und Vertriebsstätte der späteren Papst-Gruppe in USA sollten allerdings noch fast drei Jahrzehnte vergehen.