Die ersten Berufsjahre

Universitätsstudium oder Eintritt in den Beruf?

Während der letzten Jahre am TGM überlegt Hermann Papst, wie seine berufliche Zukunft aussehen könnte. Eine Tätigkeit im Patentwesen, vielleicht ein weiterführendes Grundlagenstudium der Physik an der Universität oder der Eintritt in den praktischen Beruf als Konstrukteur und Entwickler; das sind die Alternativen, die er erwägt.

Schließlich entscheidet er sich für den Weg in die technische Praxis. Einerseits aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage in der Nach­kriegszeit, andererseits weil er sich zunehmend für reif und kompetent hält, eine entsprechende berufliche Tätigkeit aus­zuüben.

Die Bahn in die Berufswelt ist schon frei. Mit den Worten: Herr Hermann Papst ist ein guter, vielfach selbstständiger Konstrukteur und guter Rechner, klarer Denker, empfiehlt der Direktor des TGMs Prof. August Grau seinen Studenten der Firma Dr. Paul Holitscher & Co. Wien.

Die Automobilentwicklung ist für Hermann Papst wohl dasjenige technische Gebiet, welches ihn am meisten fasziniert. Durch Vermittlung eines Schulkollegen findet er seine erste Stelle in der Wiener Autoentwicklungs- und -handelsfirma Rumpler & Ringer, die ihm die Mitarbeit an der Entwicklung eines Kleinautos anbietet.

Hermann Papst entwirft 1923 für die Wiener Firma Rumpler & Ringer ein Auto­mobil mit einem Zweizylinder-Viertaktmotor und neuartiger Wälzfederung.

Hermann Papst entwirft 1923 für die Wiener Firma Rumpler & Ringer ein

Automobil mit einem Zweizylinder-Viertaktmotor und neuartiger Wälzfederung.

Schon nach kurzer Zeit wird ihm die ganze Konstruktion anvertraut. Er zeichnet, konstruiert und verbessert ein Modell mit einem Zweizylinder- Viertaktmotor mit obengesteuerten Ventilen und entwickelt eigens eine Radaufhängung mit sogenannten Wälzfedern.

Konstruktionszeichnung des Chassis inklusive Antrieb des Automobilentwurfes Konstruktionszeichnung des Chassis inklusive Antrieb des Automobilentwurfes

Konstruktionszeichnung des Chassis inklusive Antrieb des Automobilentwurfes

 

Hermann Papst ist sechs Monate als Konstrukteur und Entwicklungsingenieur für Rumpler & Ringer tätig. Da das kleine Pionier­unternehmen, in der Zeit der heraufziehenden Inflation die Zahlungsfähigkeit verliert, kommt es allerdings nicht zur erhofften Produktion.

Für wenige Wochen ist er dann für den Wiener Kleinmotorenbetrieb (WKB) tätig, der jedoch ebenfalls bald Konkurs anmelden muss. Allerdings kann er noch rechtzeitig zu einer kleinen Elektrofirma wechseln. Schon während seiner letzten Zeit am TGM hat er sich mit der Frage beschäftigt, wie man – in einer Art Recyclingverfahren – aus sehr schmalen Abfallblechen einen möglichst großen Elektromotor herstellen kann. Diesen Weg verfolgt er weiter und erhält später dafür sogar ein Patent.

In der tristen Situation der in Wien anhaltenden Inflation beginnt er mit Studienfreunden den Bau eines Mofa-Prototyps. Dafür erfindet er einen Vergaser, der nicht verstopfen kann. Eine Scheibe, so notiert er, rotiert mit dem Motor in entsprechender Drehzahl und wird versuchsweise an der Lichtmaschine befestigt.

Der im Fahrradmotor integrierte Wischvergaser

Der im Fahrradmotor integrierte Wischvergaser

Hierfür meldet er weiterentwickelt im Juli 1940, ein Patent an. Die Verwertung dieser Erfindung ist ihm auch später nicht gelungen. Ford lehnt ab, Bosch ebenfalls, auch bei der Deutschen Vergasergesellschaft (Pierburg) und bei Pallas, beide in Berlin ansässig, fragt er später vergebens um die Nutzung dieser Technologie.

Umzug nach Berlin

Ein genauer Termin für die Übersiedlung nach Berlin lässt sich nicht festmachen. Wir finden Hermann Papst auf jeden Fall ab 1925 als soge­nannten freien Mitarbeiter eines international operierenden, US-amerikanischen Geschäftsmannes, der sich in Berlin niedergelassen hat. Er arbeitet für Edward D. Feldman, der national und international mit Patentrechten im elektro- und nachrichtentechnischen Bereich handelt. Mit Feldman wird Hermann Papst später eine ganze Reihe US-amerikanischer Patente teilen; darunter eines für den Polspaltmotor 1937.

Zur Entwicklung der modernen Lautsprechertechnik liefert Hermann Papst wichtige Anstöße in der Berliner Zeit

Zur Entwicklung der modernen Lautsprechertechnik liefert Hermann Papst wichtige Anstöße in der Berliner Zeit

Für Feldman entwickelt Hermann Papst unter anderem eine Sprechmaschine, ein lautsprechendes Telefon und verschiedene Lautsprecher. Über das Arbeitsverhältnis mit Edward D. Feldman, das für Hermann Papst vermutlich deswegen attraktiv gewesen sein mag, weil er seine Hono­rare in ausländischen Valuta liquidieren kann, gibt die erhaltene Vereinbarung Auskunft:

Herr Papst verpflichtet sich, alle Patente, welche noch nicht auf den Namen des Herrn Edward D. Feldman angemeldet sind, auf diesen zu übertragen und alle dazu erforderlichen Unterschriften, insbesondere auch die notwendigen Erklärungen vor dem amerikanischen Konsul abzugeben.

Herr Edward D. Feldman wird dagegen, sofern er die Fabrikation von Lautsprechern nach dem Papst´schen System aufnimmt, an diesen folgende Vergütungen zahlen:

bei einer monatlichen Produktion von

1.000 Stück: 3 %

1.500 Stück: 4 %

2.000 Stück: 5% und darüber

Hermann Papst während seiner Berliner Zeit im Spätjahr 1927

Hermann Papst während seiner Berliner Zeit im Spätjahr 1927

Der fehlende Groschen- Eine ungewöhnliche innere Bereicherung

Am 19. Dezember 1925 erlebt Hermann Papst etwas, was ihn sein Leben lang begleiten wird.

Weil Dr. Feldmann ihm an diesem Abend sein Gehalt nicht auszahlen kann, reicht dem jungen Ingenieur das Geld für die Straßenbahnfahrkarte nicht. Also macht er sich zu Fuß auf den Nachhauseweg.

Als er einen kurzen Augenblick lang unaufmerksam ist, weil er einen Bekannten auf der anderen Straßenseite grüßt, erfasst ihn ein Auto dessen Fahrer, aufgrund fehlender Scheibenwischer, im Schneegestöber die Straße nicht mehr sieht und davon abkommt. Der Angefahrene stürzt, prallt mit dem Kopf auf den Bordstein und wird bewusstlos. Er wird ins nächste Krankenhaus gebracht, verliert jedoch sehr viel Blut. So muss er den Heiligen Abend auf der Krankenstation verbringen. Er erlebt unter den Patienten etliche aktive, kampferprobte Sozialisten und Kommunisten, deren radikale Parolen ihn erschrecken. Umso mehr verblüfft ihn, wie gerade diese furchterregenden Gestalten, mit rührender Inbrunst das Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“, mitgesungen haben. Bei Hermann Papst hat dies bleibenden Eindruck hinterlassen, vielleicht gar als Zeichen einer in allen Menschen tief verwurzelten, manchmal nur verschütteten Empfänglichkeit für die Liebesbotschaft des Evangeliums wahrgenommen.

Während seines Aufenthaltes im Krankenhaus geht er einmal einem Wimmern nach, das er ständig hört und findet einen vierzehnjährigen, an Kretinismus leidenden Jungen. Aus Sicherheitsgründen ist dieser an sein Bett festgebunden. Er kann weder richtig sprechen, noch sich aus eigenem Willem bewegen.

In einer biographischen Studie, die der vierzehnjährige Enkel Constantin Papst 1986 als Halbjahresarbeit während seiner Schulzeit vor­gelegt hat, wird die immer wieder formulierte Lebenslehre von Hermann Papst überliefert. Denn ihm wird durch diese Erfahrung bewusst, wie reich er durch die Bewahrung seiner Gesundheit ist. Constantin Papst fol­gert zu Recht: So hatte ihn der fehlende Groschen doch auf eine besondere Art in seiner Seele bereichert. Und Hermann Papst selbst sagt an einer Stelle lakonisch, damals habe er erfahren, dass Glück alles ist, was nicht Unglück ist.