Kindheit und Jugend in Aussig und Wien
–
Elternhaus und Herkommen
Am 13. August 1902 erblickt Hermann Papst als ältester Sohn von Hugo Oswald Papst (1870 bis 1942) und dessen Ehefrau Else, geb. Fischer (1870 bis 1951), in Aussig an der Elbe das Licht der Welt. Hugo Papst arbeitet als Buchhalter und Prokurist in einer mechanischen Weberei und entstammt einer Familie mit handwerklicher Tradition, die aus Lößnitz im Erzgebirge in die zu Österreich gehörende Hafenstadt an der oberen Elbe gekommen sind.
–
Die Zwillingsbrüder Fritz und Hans
Auf Hermann folgen zwei Jahre später, also 1904, die Zwillingsbrüder Fritz und Hans. Hans erlernt den Beruf des Maschinenschlossers und nimmt eine Stelle als Maschinenschlosser bei der Firma Gebrüder Heinemann in St. Georgen an. Dort stirbt der gerade zwanzigjährig an einem Blinddarmdurchbruch der dadurch ausgelöst wird, dass man ihn zwingt, beim traditionellen Säklestrecken einer Taufe, noch nicht entsteinte Kirschen zu essen.
Fritz absolviert eine Lehre als Koch. In seinen letzten zehn Lebensjahren bis zu seinem Tod 1966 leitet er das große Zweigwerk der Papst-Motoren GmbH & Co KG im südbadischen Herbolzheim und ist seinem Bruder Hermann ein wichtiger Mitarbeiter.
Hugo und Else Papst mit den Söhnen Hermann (rechts), Fritz und Hans um 1916
–
–
–
Umzug nach Wien
1910 – Hermann Papst ist gerade acht Jahre alt – gerät die Aussiger Weberei, bei der sein Vater eine gute Stellung als Handlungsbevollmächtigter erreicht hat, unversehens in Konkurs.
Hugo Papst muss sich eine neue Arbeit suchen und findet schließlich in Wien eine Anstellung als Prokurist.
Wien ist zu dieser Zeit eine Metropole, die von einem kaum vorstellbaren Andrang an Menschen, die in die Stadt ziehen, geprägt ist.
Hermanns Interesse gilt bereits in frühen Jahren der Naturwissenschaft sowie der Technik, die sein Denken und Handeln besetzt. Schon der Fünfjährige erwirbt in Aussig von seinem Taschengeld einen Magneten und findet heraus, dass es magnetische und unmagnetische Metalle gibt.
Er besucht im Anschluss an die obligatorische fünfjährige Volksschule die Grinzinger Realschule bis zur mittleren Reife. In diesen Jahren baut er einen Morseapparat und als zu Anfang des Ersten Weltkriegs der Rundfunk aufkommt, bastelt er sich (1914) einen einfachen Rundfunkempfänger.
Hermann Papst (rechts) mit Eltern und Brüdern im Alter von zweiundzwanzig Jahren
–
–
Erste Erfindungen und Zeit am TGM
Hermann Papst tritt 1916, mitten im ersten Weltkrieg, am Wiener Technologischen Gewerbemuseum in die 1910 gegründete Höhere Abteilung für Elektrotechnik ein. Diese kann in einer fünf Jahre dauernden Ausbildung mit theoretischem Unterricht und praktischen Übungen durchlaufen werden.
Technologisches Gewerbemuseum in Wien
–
1922 baut Hermann Papst zusammen mit einem Freund ein Motorfahrrad mit selbsterdachter Wälzfederung. Ausgestattet wird das Gefährt mit einem regelbaren Filmflächenvergaser, eine für die damalige Zeit sensationelle Lösung. Das Motorfahrrad wird für den Straßenverkehr amtlich zugelassen.
Kein Zweifel: Hermann Papst hätte in seinen ersten Anfängen als Konstrukteur das Motorfahrrad oder wie wir heute sagen: das Mofa – erfunden, wenn nicht ein anderer, von dem er damals wohl nichts wusste, eine ähnliche Konstruktion schon bereits erprobt hatte.
–
Das von Hermann Papst 1923 gebaute Motorfahrrad mit selbsterdachter Wälzfederung war amtlich zum Verkehr zugelassen. Es wurde bei einer Fahrt über die Treppen des Parlaments in Wien einer straziösen Belastungsprobe unterzogen
Mit dem Abschlussexamen am TGM erwirbt er durch eine Zusatzprüfung im sprachlichen Bereich die Matura.
In Sprache, Geschichte, Geographie- und Elektrochemie liegen die Noten bei befriedigend, in der Hochfrequenztechnik, in der Maschinenkunde und im Fachzeichnen glänzt er dagegen jeweils mit dem selten vergebenen Prädikat vorzüglich.
Den Freiraum zum eigenen Forschen und Experimentieren hat er vor allem dem Direktor des TGM August Grau zu verdanken. Hermann Papst hat lebenslang von diesen Jahren am Technologischen Gewerbemuseum geschwärmt und verdankt seinen damaligen Lehrern wichtige Impulse für sein späteres Forschen und Arbeiten.
–
Struktur und Disziplin in Arbeitsvorgängen
Er hat in diesen Wiener Anfängen den Arbeitscharakter des technischen Entwickelns, Konstruierens und Erfindens begriffen. Erlernt und verinnerlicht hat er auch den Drang, seine Zeit zu nutzen und den Wettlauf mit anderen, der die Geschichte der Technik kennzeichnet, aufzunehmen.
Für fünfzehn Monate vom 1. August 1920 bis zum 16. Oktober 1921 sind Tagebuchaufzeichnungen von Hermann Papst erhalten. Diese Aufschriebe will er als Zufriedenheitsbuchhaltung nutzen. Er will damit bewirken, dass er seine Zeit intensiver nutzt. Die ganze Konzentration richtet sich auf die Entwicklung und Fertigung einer Polfolgemaschine. Je nachdem wie viel er an der Maschine getan hat notiert er am Abend, wie zufrieden er mit seiner Leistung ist.
Mal schafft er wenig und ist nur zu einem Viertel zufrieden. Wenn er mehr an der Maschine arbeiten konnte zu drei vierteln usw.
Neubau des Technologischen Gewerbemuseums in Wien, Wexstr. 19-23 (Zustand um 2000)
———
–
Zur Ausbildung der Erfinderpersönlichkeit
Das Konstruieren und das handwerklich-technische Erproben werden ihm zu einem lebenslangen Bedürfnis. Die Tage werden am Ertrag der Entwicklungsarbeit gemessen, das Private, die Freizeit und Erholung wird den höherrangigen Arbeiten am laufenden Projekt untergeordnet.
Im Grunde zielt sein Streben auch nicht auf die einzelne Erfindung als Endpunkt und Erfolgserlebnis seines Denkens und Forschens. Der Weg der Erkenntnis und die ständige geistige Anstrengung gelten für Hermann Papst mehr als das Ziel.
Die Brüder Hermann und Fritz Papst